Aus dem Kapitel ‚Der Träumejunge‘

Direkt an einer Abflussrinne endete die Slumsiedlung. Nun folgten sie einem Pfad durch die Müllberge. Ein beißender Gestank von Aas, der Chris fast zum Erbrechen brachte, stieg in seine Nase. Krähen, die sich gierig um das vermeintliche Futter stritten, flatterten herum. Da und dort huschte eine Ratte an ihnen vorbei und scheuchte hunderte Schmeißfliegen auf.
Bisher hatte noch keiner ein Wort gesprochen. Alle schauten Chris nur stumm an, lächelten verhalten oder hielten ihre Köpfe gesenkt.
Abrupt blieb der Junge stehen, deutete ihm zu warten und verschwand hinter dem nächsten Müllberg.
Chris hatte nur noch einen Wunsch, nämlich so schnell wie möglich zu seinem Auto zurückzukehren. ›Verflixt, mein Auto ist gar nicht abgesperrt! Was bin ich nur für ein Gringo? Wie konnte mir so etwas nur passieren?‹, ärgerte er sich über seine Dummheit. Dann riss ihn der Junge mit dem Zopf jäh aus seinen Gedanken.
„Ven – komm, es ist alles bereit“, rief er mit triumphierender Miene, als hätte er gerade etwas sehr Wichtiges geschafft. Alle reihten sich nun hinter Chris ein, als wäre er ihr Gefangener. Dieser hatte das Gefühl, vor Anspannung jeden Moment zu zerplatzen, ließ sich jedoch nichts anmerken. Er wunderte sich darüber, wie ihn diese Jungs in Bann hielten, wozu sicher auch ihr Schweigen und seine unbändige Neugierde beitrugen. Zugleich aber hatte er eine innere Vorahnung, ähnlich wie am gestrigen Tag beim Sonnentor.
Auf einem sehr hohen Müllberg blieben sie stehen und erklärten, dass sie ihn nun verlassen würden. „Aber es kommt dann jemand, der dich abholen wird.“ Dabei grinste der Junge mit dem Zopf spöttisch und meinte frech: „Wir gehen einstweilen zu deinem Auto zurück und passen auf, dass es dir niemand stiehlt.“
Chris fühlte sich ziemlich durchschaut. Der Rest der Gang lachte schallend und rannte übermütig den Müllberg hinunter.
Was dann passierte, übertraf an Unglaublichkeit alles, was Chris je erlebte hatte: Einer nach dem anderen war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, so, als wären sie durch eine unsichtbare Wand gelaufen. Das einzige, was er noch herausbrachte war: „Das will ich jetzt nicht glauben!“

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